Tip - Berlin (25-12)

Schwarzer Tag an der grünen Grenze
Bert Rebhandl

Weit mehr als nur das Buch zum Film „Revision“: Merle Kröger denkt in „Grenzfall“ eine Migrationsgeschichte mit den Mitteln des Krimis weiter.

Im Juni 1992 wurden an der deutsch-polnischen Grenze in Mecklenburg-Vorpommern zwei rumänische Männer erschossen. Der Fall wurde als Jagdunfall zu den Akten gelegt, erst 20 Jahre später rollte der Dokumentarfilmer Philip Scheffner ihn in „Revision“ noch einmal auf und entdeckte eine Geschichte, in der die ganze Ambivalenz offen zutage trat, mit der Deutschland sich um Fragen der Zuwanderung, der europäischen Wohlstandsunterschiede, des Umgangs mit „Anderen“ drückt. An den Recherchen, auf denen „Revision“ beruht, war auch die Produzentin und Autorin Merle Kröger beteiligt. Sie betreibt mit Scheffner in Kreuzberg die Firma Pong und hat sich auch mit Kriminalromanen einen Namen gemacht. Ihre Vertrautheit mit Indien und dem Bollywood-Kino spielt darin oft eine Rolle („Kyai!“). Im Mittelpunkt steht eine Frau namens Mattie Junghans, zeitweilige Betreiberin eines Wanderkinos. Merle Kröger hat auf Grundlage der Tatsachen, auf denen „Revision“ beruht, nun ihren dritten Krimi geschrieben. „Grenzfall“, der inzwischen schon auf einigen aktuellen Krimi-Bestenlisten ganz oben auftaucht, erzählt, wie der Film auch, von diesem Fall, geht aber deutlich darüber hinaus. Denn es handelt sich hier letztendlich doch um eine erfundene Geschichte, wenn auch eine, die ihre Schärfe daraus gewinnt, dass sehr deutlich erkennbar ist, worauf hier angespielt wird. Mattie Junghans muss in „Grenzfall“ nach Rumänien, aber auch in den Taunus; sie ist eine Ermittlerin im weiteren Sinn, wie die Autorin selbst. Ein Verdienst dieses in einem manchmal fast schon stakkatoartigen,stark involvierenden Stil geschriebenen Buches ist, dass man nach der Lektüre nie mehr achtlos oder gar argwöhnisch an „Zigeunern“ vorbeigehen wird. Denn dieses so häufig rassistisch ausgegrenzte Volk rückt hier ins Zentrum Europas.